Call for Papers: Neomaterialistische Technik und Mediensoziologien – Potenziale, Spannungen und Desiderata

Neue Materialismen (Barad 2007; Coole und Frost 2011; Dolphijn und van der Tuin 2012) haben in den letzten Jahren nicht nur zu einer Irritation hegemonialer Konzeptionen des Verhältnisses von Natur und Gesellschaft beigetragen, sondern auch zu einer radikalen Neuverhandlung der Frage der Materialität. Anstatt Materie als immer schon passiv und ontologisch vorgängig zu begreifen, zeichnen sich diese Ansätze durch eine Akzentverschiebung aus, in deren Folgen Körper, Dinge, Objekte und sogar Materie selbst alsprozesshaft und relational begriffen werden. Weit davon entfernt, lediglich als eine Leinwand für den ‚sozialen Film‘ zu fungieren, wird Materie Wirkmächtigkeit und Eigensinnigkeit zugesprochen. Damit irritieren diese Ansätze zentrale soziologische Kategorien und Konzepte wie Handlungsfähigkeit, Subjektivität und Gesellschaft produktiv und werfen auch weitreichende Fragen mit Blick auf die Stabilisierung und Destabilisierung des Sozialen auf (Bath et al. 2017; Hoppe und Lipp 2017; Keller 2019; Lemke 2017). Besondere Brisanz erhalten diese Überlegungen in Bezug auf Technik und Medien, wenn deren Modi und Wirkweisen ebenso prozesshaft und relational gedacht werden (Barla 2019). Hier eröffnen sich analytische Auswege hinaus aus Engführungen auf symbolische Kommunikationeinerseits und physische Sachtechnikandererseits, um technische und mediale Sozietäten zu erkunden.

Mit diesem Schwerpunktheft soll der Versuch unternommen werden, das Potenzial auszuloten, das neomaterialistische Überlegungen und Konzepte als theoretischer Rahmen, Forschungsmethode oder kritische Sensitivität für die soziologische Auseinandersetzung mit Technik und Medien bereitstellen könnten. Dabei soll eine Perspektive erschlossen werden, die Technik und Medien weder als distinktive Bereiche der sozialen Wirklichkeit verhandelt noch diese essentiell in eins setzt. Anstatt Medien auf den Aspekt ihrer Technizität zu verkürzen oder Technik bloß als Medium und Mittler zu begreifen, soll nach Möglichkeiten gesucht werden, die uns näher an die Dinge heranführen, gerade indem sie uns weg von der Idee einer Essenz oder Dinghaftigkeit leiten. Statt von Dingen auszugehen soll die Frage nach den verschiedenen materialisierenden Modi und Effekten von Technik und Medien von ihren Relationen aus neu gestellt werden.

Das Schwerpunktheftist für die Zeitschrift für Soziologie geplant.Wir bitten um thematisch passende Abstracts (400 Wörter) bis zum 15. September 2020 an barla@soz.uni-frankfurt.de und trischler@soz.uni-frankfurt.de. Die Entscheidung über die Annahme erfolgt Ende September.

Mehr Informationen finden Sie hier: Cfp – Schwerpunktheft ‘Neomaterialistische Technik- und Mediensoziologien’.