Call for Papers: Session “Chemische Geographien zwischen ‘neuem’ und ‘altem’ Materialismus”, Deadline 13.03.2023

Call for Papers:  Chemische Geographien zwischen ‚neuem’ und ‚altem’ Materialismus?
Deutscher Kongress für Geographie (DGK) 2023, 19. bis 23. September 2023 in Frankfurt am Main

Friederike Gesing (Graz), Johanna Kramm (ISOE Frankfurt)

Chemische Geographien betrachten die vielfältigen (Wechsel-)Wirkungen von Chemikalien – künstlich gewonnenen Stoffen und Verbindungen – mit der Atmosphäre, Ökosystemen und Körpern und lassen diese zu „critical sites for politics, government, and everyday experience” (Barry 2017) werden. Daran knüpfen sich hochrelevante Fragen im Kontext von Regulation und Wissensproduktion, Verschmutzung und Toxizität, Umwelt(un-)gerechtigkeit und (Über-)Leben in kontaminierten Welten (Liboiron et al. 2018). Mit Hilfe des neuen Materialismus lässt sich dabei zeigen, wie langlebige, persistente und/oder flüchtige Stoffe eigene Wirkungsmacht entfalten. Diese geht nicht von einzelnen Molekülen und Verbindungen aus, sondern entfaltet sich immer in materiell-sozialen Gefügen, die auch durch soziale Macht- und Ungleichheitsverhältnisse geprägt sind. Die Sitzung widmet sich diesen Verschränkungen zwischen der Wirkmächtigkeit von „Materie-in-Relation” (Abrahamsson et al. 2015) und den strukturellen Aspekten kapitalistischer Wertschöpfung, wie sie zuletzt Werner et al. (2021) hinsichtlich der globalen „Glyphosat-Assemblage” herausgearbeitet haben. Wir möchten das Potential einer relational denkenden Chemischen Geographie ausloten und mögliche Verknüpfungen zwischen neuem Materialismus und politisch-ökomischen Aspekten eines historischen Materialismus (cf. Bauriedl 2016) in unterschiedlichen empirischen Feldern und mit Bezug auf konzeptionelle Aspekte wie Zeitlichkeit, Umgang mit (Nicht-)Wissen und Umweltgerechtigkeit adressieren und normative Fragen nach Möglichkeiten eines anderen gesellschaftlichen Umgangs mit Chemikalien aufwerfen.

Die Beiträge können sich auf mögliche Themenfelder beziehen:

  • Chemisch-geographische Forschungspraxis: Ausloten geeigneter methodischer Vorgehensweisen für die Untersuchung chemischer Geographien. Erste Bezugspunkte können ethnographische Arbeiten (Davies 2018) sowie weitere methodische/methodologische Ansätze für Chemische Geographien und materielle Agencies, z.B. ‚follow the chemical‘, Critical Mapping oder integrative Ansätze darstellen.
  • Politisch-ökomische Aspekte und wirtschaftsgeographische Fragen: Adressieren von Nord-Süd-Verflechtungen und darin zirkulierenden Chemikalien, machtvollen Akteuren wie (chemische) Industrien und deren Materialitäten im Plantationocene.
  • Raum- und Zeitfragen: Analyse räumlicher Dimensionen wie Ubiquität von Verschmutzung, Wastelands und sacrifice zones und zeitlicher Dimensionen wie zeitversetzte und kumulative Effekte und slow violence.
  • Epistemische Fragen, z.B. hinsichtlich Grenzwerten als permission to pollute, toxikologische Wissensproduktion, umstrittenes Wissen und Nicht-Wissen.
  • Normative Dimension: Fragen der Gestaltung von alternativen, sozial-ökologisch gerechten Zukünften und Transformationspfaden mit möglichen theoretischen/empirischen Bezügen von neuem und/oder altem Materialismus zu Fragen von Umweltgerechtigkeit, postkolonialer Wissensproduktion, Alltagspraktiken und Politics of Care.

Der CfP mit detaillierteren Informationen zur Session findet sich hier.