Call for Papers: Jahreskonferenz Forum Privatheit 2023: “Data Sharing – Datenkapitalismus by Default?”, 04.-06.10.2023, Berlin, Deadline: 21.05.2023

Call for Papers: Jahreskonferenz

Forum Privatheit 2023: Data Sharing – Datenkapitalismus by Default?
Jahreskonferenz Forum Privatheit 2023: Präsenz-Veranstaltung
Datum: 04. bis 06. Oktober 2023
Veranstaltungsort: Umweltforum, Pufendorfstraße 11, 10249 Berlin

Das Teilen von Daten (Data Sharing) ist notwendiger Bestandteil jeder Gesellschaft. Es ist die Grundlage gemeinsamer Kommunikation und Aktion. Allerdings werden Nutzer:innen auch aufgrund wirtschaftlicher Interessen der großen Plattformen, auf denen ein Großteil dieser Kommunikation stattfindet, zum (Over-)Sharing verleitet. Auch zahlreiche (wirtschafts-) politische Initiativen (bspw. GAIA-X, Mobility Data Space, European Health Data Space) beziehen sich auf Data Sharing. Das Teilen von Daten in diesem Kontext ist mit wirtschaftlichen Interessen verbunden und soll gleichzeitig Werte für das Gemeinwohl hervorbringen. Es gibt aber auch Ansätze, die es über dezentrale Architekturen und Gemeinschaften, Nutzer:innen, die diese Daten größtenteils produzieren, ermöglichen sollen, selbstbestimmt ihre Daten zu teilen. Allerdings werden die geteilten Daten heute meist von zentralisierten Plattformen beherrscht, die von großen, internationalen Branchenakteuren kontrolliert werden, statt über dezentrale Architekturen und Gemeinschaften, die diese Daten größtenteils produzieren. „Sharing“ bedeutet in diesem Kontext dann zumeist das Zur- Verfügung-Stellen von Nutzungsdaten, mit denen die großen Branchenakteure in der Folge exklusiv arbeiten können.

In jüngster Zeit hat die europäische Politik damit begonnen, mit einem rechtlichen Rahmen das Teilen von Daten zu forcieren. Dieser Rahmen ermöglicht Konzepte zur Verpflichtung öffentlicher Stellen für Open Data, zur Hervorbringung von Daten-Märkten mit Hilfe von Datenmittlern und zu altruistischen Datenspenden mit Hilfe von Datentreuhändern. Es entstehen neue Instrumente, die Sharing-Ansprüche anderer Marktteilnehmer, der Nutzer:innen oder von Forschenden umfassen. Im Zentrum der Regulierungsbemühungen stehen bereits verabschiedete Regulierungen wie der Data Governance Act und Regulierungsvorhaben wie der Data Act oder die Verordnung zur Schaffung eines europäischen Raums für Gesundheitsdaten. Auch auf deutscher Ebene soll das Teilen von Daten weiter befördert werden durch ein Forschungsdatengesetz und ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz.

Einerseits haben die regulatorischen Bemühungen das Ziel, öffentliche Daten leichter zugänglich zu machen und den Datenaustausch zwischen Wirtschaft, Medien, öffentlichen Stellen, Bürger:innen und Forschung anzuregen. Andererseits sollen insbesondere Hersteller und Dateninhaber dazu verpflichtet werden, Daten aus vernetzten Geräten (wie Maschinen, Haushaltsgeräten oder Fahrzeugen) zu teilen. Auf diese Weise sollen Daten, die ansonsten zentral insbesondere bei einzelnen Unternehmen lägen, über Datentreuhänder und Datenräume einem möglichst breiten Nutzer:innenkreis (Verbraucher:innen wie auch der Wirtschaft, der Forschung und dem Journalismus) zugänglich gemacht werden, um datenbasierte Innovationen zu ermöglichen und das Gemeinwohl zu stärken. Noch ist aber unklar, was die angestrebte Nutzbarmachung von Daten tatsächlich für Folgen haben wird, welche Möglichkeiten sie bietet und welche Hindernisse beteiligte Akteure und Sektoren überwinden müssen, um Potenziale zu heben. Zu wenig diskutiert wird die Frage, wie die Sozialpflichtigkeit der größten Datensammlungen, die bei den großen Plattformanbietern bestehen, für das Gemeinwohl aktualisiert werden sollte.

Mit der Tagung wollen wir dazu beitragen, dass das Teilen von Daten und deren Nutzbarmachung auf sichere und gerechte Weise erfolgt, so dass berechtigte Informations- und Nutzungsinteressen einerseits unterstützt und andererseits die Privatheit und andere Rechte derjenigen geschützt werden, die ihre Daten teilen wollen, aber auch derjenigen, die dies nicht können oder nicht wollen. Schon heute lassen sich Möglichkeiten eruieren, um eine gerechte Verteilung der Vorteile – und Nebenwirkungen – des Datenteilens in einer globalisierten Welt zu ermöglichen. Hierbei ergeben sich integrative Fragestellungen für verschiedene Disziplinen u.a. in den folgenden Bereichen:

Technologien und Systeme

  • Wie kann das faire Teilen von Daten mit den heutigen Technologien und Bausteinen realisiert werden?
  • Wo fehlen solche Technologien und Bausteine?
  • Welche nachhaltigen und inklusiven Ansätze bestehen für gemeinsame IT-Welten und Metaversen der Zukunft?
  • Mit welchen Herausforderungen ist der Aufbau von Datenräumen (Data Spaces) verbunden?
  • Wie können technische Standards zum plattform- und anbieterübergreifenden Datenaustausch etabliert werden?
  • Wie müssten sichere Datenräume konzipiert werden, in denen die Daten sicher aufbewahrt werden, aber zugleich von berechtigten Stellen ausgewertet werden können?
  • Wie kann eine ausreichende Anonymisierung personenbezogener Daten erreicht werden, ohne die Verwendungszwecke (z.B. Forschung) zu gefährden? In welchen Fällen besteht zumindest die Chance, durch Pseudonymisierung einen Interessenausgleich zu erzielen?
  • Welche Rolle spielt Data Sharing für die zukünftige Entwicklung der (generativen) KI?

Kollaboration und Akteure

  • Wem nützt das Teilen von Daten?
  • Worin besteht etwa der individuelle Nutzen des Teilens von Daten?
  • Inwiefern stehen gesellschaftliche Ziele im Mittelpunkt und inwiefern werden Partikularinteressen als Gemeinwohlinteresse beworben?
    Welche Rolle spielen Anreizmechanismen und wie könnten sie bewusst gestaltet werden?
  • Wie gelingt Empowerment durch Data-Sharing?
    Wie können Datenjournalismus und Öffentlichkeit von geteilten Daten profitieren?
  • Wer bestimmt auf struktureller Ebene, wer – absichtlich oder unachtsam – in den Zugang, das Teilen oder die Entscheidung einbezogen und ausgeschlossen wird?
  • Welche Narrative werden zur Rechtfertigung dieser Positionen verwendet?
  • Welche Rolle spielen gemeinwohlfördernde Forschung und individuelle Forschungsfreiheit als zentrale Argument zum Datensharing in aktuellen Debatten, und wie müssen sie künftig im Verhältnis zu Privatheit konstruiert werden?
  • Welche Rolle können kommerzielle Datenmittler und altruistische Datentreuhändern einnehmen und welche Anforderungen wären an sie und ihre Tätigkeit zu stellen?
  • Wie könnte der „Datenschatz“ der großen Plattformanbieter zur Stärkung des Gemeinwohls genutzt werden?

Rechtsrahmen und Governance

  • Was bedeutet die zunehmende Erwartung des Datenteilens für die Selbstbestimmung bei der Preisgabe personenbezogener Daten?
  • Wie lassen sich Risiken des Datenteilens zuverlässig identifizieren und eindämmen?
  • (Wie) lassen sich informationelle Selbstbestimmung und Betroffenenrechte in Datenräumen praktisch realisieren?
  • Welche Rolle sollte die Einwilligung in künftigen Datenräumen spielen, und welche Auswirkungen haben verschiedene Modelle von Opt-In und Opt-Out auf die Nutzungsinteressen anderer Akteure?
  • Welche Spielräume bieten sich jenseits kapitalistischer Verwertungslogik?
  • Wie lässt sich der „Wissensteilung“ (Zuboff) im Bereich der Entwicklung Künstlicher Intelligenz-Systeme demokratisierend begegnen?
  • Welche technischen und organisatorischen Ansätze für das Teilen von Daten und deren gemeinsame Nutzung sind am besten geeignet, um die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen zu schützen?
  • Wie kann die Qualität geteilter Daten bewertet und gesichert werden?
  • Welche gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Effekte sind vom Datenaustausch zu erwarten?
  • Wie wertvoll und wie schutzbedürftig sind die Schlüsse und Informationen, die aus der Analyse der Datenmengen gezogen werden, oder die Algorithmen, die dies ermöglichen, im Vergleich zu den Daten selbst?

Mögliche Einzel-Topics

  • Neue und zukünftige europäische Regulierung und ihre Konsequenzen
  • Datentreuhändermodelle und andere Modelle des Interessenausgleichs
  • Ökonomische Aspekte von Privatheit
  • Anonymisierung und Anonymität
  • Open Data in der öffentlichen Verwaltung
  • Methoden und Werkzeuge zur Unterstützung von Bürgern bei der Wahrnehmung ihrer Datensouveränität
  • Bewertung der (Trainings)Datenqualität in offenen Datenräumen
  • Datensouveränität in der Arbeitswelt
  • Datenräume als neue Infrastrukturen und als Grundversorgung
  • Datenteilen zwischen Partikular- und Gemeinwohlinteresse
  • Zusammenhänge von Datenteilen und Desinformationsstrategien
  • Data Sharing im Kontext digitaler Selbstvermessung
  • Sharing-Praktiken & Faktoren des Sharing-Verhaltens
  • Anreiz- und Steuerungsmechanismen für Data-Sharing
  • Empowerment durch Data-Sharing
  • Datenräume und Geschäftsmodelle

Dieser Aufruf richtet sich an alle Forschenden der technischen, sozial- und ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen, der Rechtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Soziologie, Psychologie, Philosophie sowie der Kommunikationswissenschaft. Besonders begrüßt werden fachübergreifende Einreichungen.

Einreichung

Vortragsvorschläge können in Form eines aussagekräftigen „Extended Abstracts“ (Umfang: 500-1.000 Wörter) bis 21.05.2023 über das Konferenzmanagementsystem EasyChair eingereicht werden: https://easychair.org/conferences/?conf=forumprivatheit2023
Für die Präsentation eines Beitrags sind unterschiedliche Formate in Planung. Neben einem Vortrag mit anschließender Diskussion (20 Minuten Vortrag, 10 Minuten) bereiten wir auch Diskussionspanels mit drei Teilnehmer:innen zu einem gemeinsamen Oberthema vor, bei denen nach einem kurzen Impulsvortrag eine moderierte Diskussion stattfindet. Weitere interaktive Formate sind angedacht. Bitte teilen Sie uns mit, ob Sie sich für Ihr Thema auch ein interaktives Präsentationsformat vorstellen können. Die Konferenzsprache ist Deutsch, Beiträge auf Englisch sind nach Absprache möglich.

Tagungsband

Beiträge der Tagung werden in einem Sammelband veröffentlicht, der in der Reihe „Privatheit und Selbstbestimmung in der digitalen Welt“ im Nomos-Verlag, Baden-Baden erscheinen wird. Nach der Tagung werden ausgewählte Beitragenden dazu eingeladen, eine schriftliche Ausarbeitung einzureichen (Deadline voraussichtlich im Februar 2024). Die Einreichungen werden begutachtet.

Weitere Informationen zur Konferenz und zum Forum Privatheit finden Sie hier.