Call for Papers: Fachtagung “Digitalisierung, Gesellschaft und Mit-Welt queerfeministisch verflechten und neu_denken, 27.-29.09.2024, Leibniz Universität Hannover, Deadline: 31.12.2023

Call for Papers
Stand: 18.09.2023
Fachtagung „Digitalisierung, Gesellschaft und Mit-Welt queerfeministisch verflechten und neu_denken“

Zeit: 27.-29.9.2024
Ort: Leibniz Universität Hannover

Digitalisierung im Alltag
Digitale Systeme haben Auswirkungen auf unseren Alltag und prägen nicht nur uns als Individuen, sondern auch unsere Gesellschaft und Um-/Mit-Welt. Feministische Arbeiten haben in den letzten Jahren verstärkt deutlich gemacht, dass ein großes Problem dieser Systeme sich darin äußert, dass bestehende soziale Hierarchien und Ungerechtigkeiten intransparent und unhinterfragt übertragen und automatisiert werden können. Dies betrifft insbesondere algorithmische Entscheidungssysteme, die auf Künstlicher Intelligenz basieren. Ungleichheit und Diskriminierung bezüglich Klassifizierungen wie Geschlecht, Race, (Dis-)Ability, Klasse, sexuelle Orientierung, Alter und Körpergewicht etc. können dadurch produziert oder sogar verschärft werden.
Mit der personalisierten Medizin dringt diese Problematik in den Alltag. Bei der Anwendung von Digital-Health-Apps benötigen Nutzer*innen neue Übersetzungsstrategien für leiblich-körperliches Wissen und Erfahrungen, um sich in soziotechnische Infrastrukturen einzuordnen. Diagnostische und prädiktive Apps basieren beispielsweise auf verzerrten Datensätzen und Algorithmen, die Ausschlüsse (re-)produzieren.

Queerfeministische Kritik
Die Notwendigkeit der kritischen Analyse und Regulierung der Herstellungsprozesse und Wirkungen von Datensätzen, digitalen Infrastrukturen und algorithmischen Entscheidungssystemen ist mittlerweile auch in Bereiche der Politik und Wirtschaft vorgedrungen. Beispielsweise wird Health Care in den UNESCO-Empfehlungen als neue ethische Problematik ausgewiesen. Allerdings zeigen intersektionale, queerfeministische, post- und dekoloniale, kapitalismus-kritische und klimagerechte Analysen, dass solche Initiativen häufig nicht machtkritisch arbeiten. Auf die vielfältigen Ansätze einer partizipativen und geschlechterwissenschaftlichen Gestaltung von Technik aus den Gender Studies oder aus den Feminist Science and Technology Studies wird bisher zu wenig zurückgegriffen. Insbesondere zeigen feministische, queere, post- und dekoloniale Perspektiven, dass unsichtbare Arbeiten wie das Kuratieren digitaler Plattformen, das Transkribieren von Daten oder weitere Aufgaben und Aufträge des Crowdsourcings auf Arbeiter*innen im globalen Süden ausgelagert werden. Koloniale Ausbeutungsstrukturen wiederholen sich daher innerhalb eines digitalen Kapitalismus.
Vor dem Hintergrund multipler sozioökologischer Krisen und menschlicher sowie mehr-als-menschlicher Ausbeutung stellen sich Fragen bezüglich der Erforschung und Gestaltung digitaler Systeme. Feministische ebenso wie künstlerische Ansätze finden dabei viel zu wenig Beachtung. Die große Aufgabe ist aus queerfeministischer Perspektive nun in Bezug auf Digitalisierung und KI, Modi kollaborativer Verflechtung, gegenseitiger Abhängigkeit, Fürsorge und Mitgefühl (vgl. Rosi Braidotti) zu entwickeln, um die bestehenden Herausforderungen kollektiv meistern zu können.

Ziel der Tagung ist es, neue inter- und transdisziplinäre Verflechtungen für queerfeministische Forschung und Interventionen zu ermöglichen, um andere soziotechnische Mit-Welten zu gestalten. Die Tagung will einen Diskussionsrahmen schaffen, der methodenplurale, künstlerische, aktivistische, empirische und theoretische Ansätze gleichermaßen anspricht. Neben Einzelbeiträgen, Forschungswerkstätten und Postern sind auch interdisziplinäre, experimentelle sowie künstlerische Formate ausdrücklich erwünscht.

Folgende Themen, Bezüge und Fragen sind daher besonders (aber nicht ausschließlich) willkommen:
A) Traditionell weiblich* definierte Kulturtechniken:
Zwischen technologischer Aneignung und Abwertung
B) Fallstudien zur strukturellen Unterdrückung durch und mit digitalen Systemen:
Epistemologische und strukturelle Grundlagen
C) Data Colonialism und Digital Capitalocene:
Wie kann Technik in post- und dekolonialer Weise entwickelt werden?
Wie kann Technik (z.B. durch digitale Spiele) für ein dekoloniales und queerfeministisches
Mit-Werden eingesetzt (z.B. pädagogisch) werden?
D) Verflechtungen von Naturen und Technologien:
Feministische Positionierungen im Spannungsfeld von Technologieentwicklung und ökologi-
scher Krise
E) Kritisch-reflexive Auseinandersetzungen mit Politik und Ethik:
Regulierungen (z.B. rote Linien für den Einsatz von KI-Systemen) und Initiativen, die auf Ethik
und Debiasing von Daten und Algorithmen zielen
F) Nicht-diskriminierende digitale Systeme und Ermächtigung durch Technik (z.B. Automatisches Erkennen von Diskriminierung, Fake News und Hassrede):
Klassifizierungen, Infrastrukturen und Methoden für deren Entwicklung, Empowerment
Nichtprivilegierter, Marginalisierter und Diskriminierter
G) Soziotechnische Visionen globaler Gerechtigkeit und eines lebbaren Lebens für alle:
SF (Haraway), Storytelling, Fabulation, Spekulation, Witch-Weaving von Zukünften

Die Tagung wird organisiert vom Forschungsprojekt „Sociotechnical Practices of Objectivation: An empirical examination of AI-based health apps for diagnosis“ und der AG DIG*IT*AL der Fachgesellschaft Geschlechterstudien.
https://www.hs-emden-leer.de/studierende/fachbereiche/soziale-arbeit-und-gesundheit/projekte/sociotechnical-practices-of-objectivation
https://www.fg-gender.de/arbeitsgruppen/digital/

Wir freuen uns auf Einreichungen zu den genannten und ähnlichen Themen!
Bitte schicken Sie Ihren Themenvorschlag mit Titel und einer kurzen Zusammenfassung (ca. 300 Wörter) sowie eine Kurzbiografie (max. 100 Wörter) in einer PDF.

E-Mailadresse: gender-digitalisierung@hs-emden-leer.de
Einsendeschluss: 31.12.2023